Presse
Gedenkort Olympiagelände
 Berliner Morgenpost, 5. Mai 2006
 61 Jahre nach
        Kriegsende gibt es am (nach dem Flughafen Tempelhof) zweitgrößten steinernen Überrest Nazideutschlands in Berlin
        eine neue zeitgeschichtliche Dokumentation. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat gestern Vormittag den
        Gedenkort Olympiagelände 1909  1936  2006 offiziell eröffnet. Damit ist das unter Denkmalschutz stehende
        Reichssportfeld mit seinen NS-Monumentalstatuen in den historischen Zusammenhang eingeordnet.
 Für die
        Ausstellung suchten und fanden die für die Modernisierung des Stadions verantwortlichen Architekten, das
        renommierte Büro von Gerkan, Marg und Partner aus Charlottenburg, einen idealen Ort: die Langemarckhalle unter
        den Tribünen des heute als Maifeld bekannten Aufmarschgebietes westlich der Arena. Bei der Langemarckhalle
        handelt es sich um eine nahezu unverändert erhaltene Kultstätte des Nationalsozialismus. Ihren eigentlichen
        Zweck erfüllte sie am Nachmittag des 1. August 1936: Kurz bevor Adolf Hitler die Berliner Olympiade eröffnete,
        fand in der Langemarckhalle ein bewusster Affront statt: Nur begleitet von seinem Kriegsminister Blomberg
        legte der Reichskanzler auf dem Weg ins Stadion hier eine Schweigeminute ein.
 Dagegen wäre an sich
        nichts zu sagen  doch war dieses Gedenken den Toten einer hochgradig mystifizierten Schlacht des Ersten
        Weltkriege gewidmet: Unter demonstrativem Singen von Deutschland, Deutschland über alles seien junge
        Regimenter westlich Langemarck gegen die feindliche Front vorgegangen und hätten sie genommen, so der Bericht
        der Obersten Heeresleitung vom 11. November 1914. Langemarck wurde zur Chiffre der Kriegsverherrlichung. Doch
        gab es diesen angeblich heldenhaften Sturmangriff gar nicht. In Wirklichkeit waren die Kämpfe in Flandern Anfang
        November 1914 eine verheerende Niederlage des kaiserlichen Heeres. Verblendete Kriegsfreiwillige wurden
        reihenweise von britischen Berufssoldaten abgeschlachtet.
 Hitlers Abstecher galt nur den deutschen
        Toten; hier waren die Fahnen der eingesetzten deutschen Regimenter aufgehängt, unter einer Eisenplatte im Boden
        lag Erde vom deutschen Friedhof in Langemarck. Das Gedenken des Führers sollte eine Verbindung herstellen
        zwischen den deutschen Kämpfern des Weltkriegs und den deutschen Olympiateilnehmern.
 Rainer Rother,
        Historiker und seit kurzem Direktor der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz, hat die Dauerausstellung
        Gedenkort Olympiagelände entwickelt, das Deutsche Historische Museum betreut sie künftig. In drei Räumen zeigt
        die Schau, wie der Sport in Deutschland politisiert wurde, wie der Mythos von Langemarck entstand und wie das
        Olympiagelände mit Nazi-Ideologie kontaminiert ist. Geöffnet: künftig von April bis Oktober. 
SVEN FELIX
        KELLERHOF
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